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Taoistischer Yoga
(Die Bildung eines Lichtkörpers)
Tl. 2
Von der "Goldenen Perle" zum Lichtkörper
Die taoistischen Meditationen des alten China entwickelten sich in einer Hochkultur mit differenzierten Vorstellungen über Mensch, Himmel und Erde. Entsprechend verfeinert waren nun auch die Methoden, welche zwar dem Schamanismus entstammten, nunmehr jedoch von Mönchen durchgeführt wurden. Statt der Exstase bediente man sich jetzt der Meditation, um zu ähnlichen oder noch besseren Zielsetzungen zu kommen.
Der erste Schritt der hierzu getan werden mußte war die Innenwendung. Die Voraussetzungen hierfür waren äußere Ruhe (eine Klause) und innere Stille (frei werden von Problemen und inneren Konflikten und Kontrolle der Gedanken).
Innenschau und (Gedanken)-StilleBild aus: "Geheimnis der Goldenen Blüte", von Richard Wilhelm; Zürich, Rascher Verl., 1957
Als nächstes erfolgten die im Laufe der Zeit immer komplexer werdenen Übungen des "Kreisen des Lichtes", die hier in diesem Artikel vereinfacht wieder gegeben werden sollen. Durch die vereinfachte Darstellung kommt das Wesentliche der Übung besser zum Ausdruck und der Leser wird nicht durch eine barocke Vielfalt von Details von der Funktionalität abgelenkt.
( Echtes taoistisches Denken läßt sich kaum übersetzen. Die taoistischen Symbole, wie etwa Drache oder Tiger, haben nicht nur eine Bedeutung, wie wir erwarten würden, sondern enthalten viele, scheinbar of widersprüchliche Aussagen. Die Übersetzer stehen vor der Schwierigkeit das Panorama einer aus Symbolen bestehende Bildsprache in eine magere und nüchterne Buchstabensprache zu übersetzen. Die jetzigen Schriften sind zwar klar verständlich, jedoch von einer völlig verfremdeten Denkweise und verfremdetem Inhalt.)
Während für die Schamanen die Schaffung eines Geist-Götter-Körpers wichtig war, um seinen sozialen Verpflichtungen nachzukommen, wurde für die taoistischen Mönche die eigene Selbstverwirklichung mit der Schaffung eines Lichtkörpers das zentrale Anliegen. Vielleicht ist es an dieser Stelle nützlich auf die abgestuften Vorstellungen der Seelenkörper einzugehen. Im Schamanismus hatten die Menschen eine Seele, das war ein sehr unbewußter Geistkörper, der den Gesetzen der Natur unterlag und über den der Mensch keinerlei Kontrolle hatte. Von völlig anderer Qualität war der Götterkörper der Schamanen. Dieser war unsterblich und ermöglichte dem Schamanen nur deshalb den Zugang in das Reich der Götter, weil der Schamane durch seine Neugeburt zusammen mit Zauberern und Hexen ein Angehöriger der Götterwelt wurde. Zu den Bewohnern der Götterwelten zählten nicht nur mächtige Gottheiten, wie der heutige Mensch zu glauben geneigt ist. Es war dies eine vielfältige jenseitige Welt mit Dämonen, Naturwesen, Berggeistern, Drachengöttern und zahlreichen anderen Erscheinungen.
Der Taoismus ging noch einen Shritt weiter. Unter dem Einfluß des Buddhismus und teilweise in den Lehren mit dem Buddhismus verschmolzen entwickelte sich eine neue Auffassung über die Himmelswelten. So wie es im chinesischen Kaiserreich klar abgegrenzte Hierarchien gab wurde auch der Himmel in hierarchische Abstufungen aufgegliedert. Hierzu kam noch die durch den Buddhismus eingebrachte Vorstellung von Boddhisattwas und Buddhanaturen. Die von den Schamanen angestrebten Götterwelten wurden nunmehr zweitrangig und das Ziel eines Mönches wurde das Boddhisattwatum oder die Buddhaschaft. Hierzu war die Bildung eines Geistkörpers, wie ihn die Schamanen entwickelt hatten nicht mehr ausreichend. Dieser Geistkörper mußte weiter vollendet werden und sich zu einem übernatürlichen Lichtkörper entwickeln. Dazu waren natürlich auch ausgefeiltere Techniken nötig, als jene des Schamanismus.
Die Prozedur zur Schaffung eines Lichtkörpers war folgende: So wie eine Fau in ihrem Bauch aus dem Ei den Embryo entwickelt und aus diesem mit großer innerer Sorgfalt das Kleinkind, das bei der Geburt das Licht der Welt entwickelt, so erschafft der Taoist in seinem Bauch die goldene Perle (Ei), aus diesem den goldenen Embryo, welcher wenn er gewachsen und gereift ist, über die Schädeldecke (Fontanelle) als Buddhakörper das Reich des Lichtes betritt. Dies ist auch nunmehr die eigentliche Welt, welcher der Taoist angehört, die ihn mit magischen und spirituellen Fähigkeiten auszeichnet. Sein irdischer Körper ist nur noch ein Werkzeug, um damit zum Wohle der Menschen wirken zu können.
Aus der goldenen Perle, erwächst, genährt durch den "himmlischen Kreislauf" der goldene Embryo
(Bild aus: "Geheimnis der Goldenen Blüte", von Richard Wilhelm; Zürich, Rascher Verl., 1957)
Der Lichkörper tritt aus der Schädeldecke und fungiert als neuer Träger des Bewußtseins.
(Bild aus: "Geheimnis der Goldenen Blüte", von Richard Wilhelm; Zürich, Rascher Verl., 1957)
Der Vervollkommnete wirkt an vielen Orten gleichzeitig (er kann seinen Lichtkörper in viele Lichtkörper teilen).
(Bild aus: "Geheimnis der Goldenen Blüte", von Richard Wilhelm; Zürich, Rascher Verl., 1957)
In dieser Durchgeistigung und in den hohen Idealen unterscheidet sich der taoistishe Yoga wesentlich vom landläufigen Taoismus, dessen Zielsetzungen sich auf Gesundheit und ein langes Leben beschränken.
Alfred Ballabene, Wien, 1999