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Karl Freiherr von Reichenbach (1788-1869)

(Aus P. Uccusic: "Psi-Resumee", S.154-156; Ariston Verl., Genf, 1975)

© copyright Alfred Ballabene, Wien, 1999

"Nur wenige Minuten oberhalb der letzten Weinberge Grinzings, deren goldgelber Saft sommers wie winters Gäste aus nah und fern nach Wien lockt, stand noch vor wenigen Jahren ein Schloß. Der Platz ist heute leer, nur ein paar Meter von der ehemaligen Cobenzl-Bar und der belebten Höhenstraße entfernt.

In dem einstmals prächtigen Schloß, umgeben von blühenden Wiesen, rauschenden Wäldern und einer immer gut versorgten Meierei, lebte Freiherr Karl von Reichenbach. Er war Chemiker und Naturforscher, und mit einigen Erfindungen auf dem Gebiet der Farbstoffe hatte er sein Vermögen vermehrt.

Wodurch er freilich in die Geschichte einging, war weder auf 'sein' Kreosot noch Paraffin, noch Kerosin zurückzuführen, sondern auf eine mysteriöse, von manchen Menschen im Finsteren wahrgenommene Lichterscheinung, die an Menschen (insbesondere an den Händen und am Kopf), aber auch an Magneten und Kristallen auftrat. Reichenbach nannte das Phänomen 'Od', ganz einfach, weil er ein kurzes Wort mit einem Vokal haben wollte; er hatte gegen lange Worte wie 'Elektrizität' oder 'Magnetismus' immer eine Abscheu gehabt.

Reichenbacn war einer von jenen, die, wenn sie etwas entdeckt hatten, nicht locker ließen. Mehr als zwanzig Jahre lang experimentierte er mit vielhundert Menschen, die imstande waren, das Licht zu sehen. Die Sehenden nannte er 'Sensitive' und noch heute benennt die psychische Forschung Menschen, die zu paranormalen Wahrnehmungen befähigt sind, mit diesem von Reichenbach geprägten Wort.


Karl Freiherr v. Reichenbach
(aus dem Bildarchiv d. Österr. Nationalbibliothek)

Der Freiherr aber fand nicht nur Od, die Odkraft, die Odische Lohe, den Odrauch, die Odgluth, die Qdfunken, sondern auch, daß die Odkraft polarisiert ist links-rechts, oben-unten, Sonne-Mond, Erdoberfläche-Erdinneres. Vielleicht ist das die tiefenpsychologische Ursache dafür, daß aus einer ursprünglich rein naturwissenschaftlichen Untersuchung eine 'Lehre' wurde - mit fanatischen Anhängern und ebenso fanatischen Gegnern.

Die Lage ist grotesk und bedauerlich, denn ihre zweite Wurzel ist Uninformiertheit. Reichenbachs Schriften sind selbstverständlich längst vergriffen, Gregorys klassische Übersetzungen ins Englische wurden soeben neu aufgelegt; aber sonst gibt es rein nichts. In der ;Wiener Nationalbibliothek finden sich immerhin zehn Werke mit vielen tausend Seiten, und dieser Umfang des Reichenbachschen Werkes ist wohl der dritte Grund, warum soviel Unsinn über Reichenbach geredet wird, sowohl von Gegnern als auch von Anhängern, weil dieses Schrifttum nämlich selten jemand gelesen hat.

Ein weiterer Grund, warum Reichenbach schon zu Lebzeiten heftig bekämpft wurde, lag an der Tatsache, daß die meisten Hochgelehrten seine Ergebnisse nicnt reproduzieren konnten. Nur Berzelius interessierte sich für die Angelegenheit; Reichenbach reiste eigens zu ihm nach Karlsbad und nahm ein paar Chemikalien mit. Sensitive mußten sich Reichenbachs Anschauungen zufolge überall finden, und in Karlsbad hatte er denn auch leicht Personen ausgemacht, mit denen er an seinen Chemikalien gemachte Beobachtungen Berzelius vorführte. Der große alte Mann der Chemie war erstaunt und erschüttert; er bestärkte Reichenbach, seine Untersuchungen fortzuführen. Man verabredete weitere Treffen, zu denen es aber nicht mehr kam: Berzelius starb vorher.

Wäre die Odforschung, die gesamte Physik, einen anderen Weg gegangen, hätte Berzelius länger gelebt? Es ist müßig, darüber zu spekulieren. Tatsache jedenfalls ist, daß Reichenbachs Gegner nicht mit Verunglimpfungen und Verleumdungen sparten: mit Fräulein triebe er allerlei Ungereimtes in finsteren Kammern, schliche des Nachts - wer weiß, zu welchen Zwecken! - auf Friedhöfen umher, immer in Begleitung von Damen! (Dort ließ er die Sensitiven Leuchterscheinungen über den Gräbern beobachten); er könne das Gesinde nicht führen, mache Experimente, die die Moral der Dienerschaft untergrüben. Tröstlich zu wissen, daß Engstirnigkeit, Neid und Dummheit epocheninvariant sind.


Schloß Cobenzl
(Wurde leider in den fünfziger Jahren abgerissen)
siehe auch: Internetseite über den Cobenzl und Reichenbach

Demgemäß bitterer sind Reichenbachs Schriften der letzten Jahre. Er wiederholt Experimente zum hundertsten Mal, legt Protokolle vor - man glaubt ihm nicht, man verlacht ihn. Immerhin wird ihm noch die Genugtuung zuteil, sechs Vorträge an der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien halten zu dürfen (Mai bis Juli 1865), sie erscheinen schließlich gesammelt in einem Bändchen und sind eine gute Übersicht über sein Lebenswerk. Letztlich wird er in den Okkult-Hades verstoßen.

Das ist die eigentliche Tragik an Reichenbach : daß er, der zeitlebens bemüht war, Aberglauben, Scharlatanerie und Legenden zu zerstören und deren wissenschaftlich faßbaren Kern herauszuschälen; daß er, der sich bemühte, die Natur zu entmystifizieren, daß just dieser Reichenbach post mortem in die Fänge der Okkultisten geriet."

(Aus P. Uccusic: "Psi-Resumee", S.154-156)

Literatur: teilweise nur noch in einigen wenigen Bibliotheken (in Wien und Berlin) vorhanden:

Karl Freiherr von Reichenbach (1788-1869):


Internetseite über den Cobenzl und Reichenbach

Alfred.Ballabene@univie.ac.at